Impressum
Sitemap
Suche
English
Startseite >> Deutsch >> Album >> Irrtum nach der letzten Landung
Rollen auf Rasen oder ein Irrtum nach der letzten Landung

(Text: Michael Wegerich)

Die Umschulung auf die MiG-21M und MF war für uns junge Leutnants abgeschlossen und die erste Einweisung zur Landung auf Rasen lag hinter uns. Wir landeten zuerst mit der MiG-21US / UM und Fluglehrer auf der Rasenbahn des Feldflugplatzes Müncheberg, bevor wir dort mit einer MiG-21M / MF selbständig landen durften.

Die Landung auf Rasen war Dank der guten Konstruktion der MiG-21 nicht besonders schwierig aber etwas ungewohnt. Vor der Landung sollte man die Schultergurte fester ziehen und die Bugradbremse ausschalten. Im Gegensatz zu den westlichen Flugzeugen, die nur mit dem Hauptfahrwerk bremsen, werden die MiGs mit drei Rädern gebremst. Um sich aber bei weichem Untergrund mit dem Bugrad beim Bremsen nicht einzugraben, bestand die Möglichkeit zum Ausschalten dieser Bremse. Die einzige Besonderheit beim Landeanflug und Ausschweben war, daß sich der Bahnanfang und die Rasenbahn trotz Markierung schlecht von der anderen Umgebung abhob. Das erschwerte etwas das Bestimmen des Abfangpunktes und das Einschätzen der Abfanghöhe. Die Stellung der Landeklappe sowie die Anflug- und Aufsetzgeschwindigkeit auf Rasenbahnen war identisch mit Landungen auf Betonbahnen. Nach dem Aufsetzen war das sofortige Einfahren der Landeklappen sinnvoll, um mögliche Schäden durch nach hinten fliegende Steine oder Erdklumpen zu vermeiden. Außerdem führten mit dieser Auftriebshilfe kleinste Bodenunebenheiten zu unangenehmen Sprüngen und Schaukeln des Flugzeuges. Erst nach Einfahren der Landeklappen und Ausfahren des Bremsschirmes rollte die Maschine stabil. Man spürte zwar bei 200 km/h immer noch die Schwingungen und das Vibrieren der Maschine durch die Bodenunebenheiten, aber durch das Gras und die geringe Bodenfestigkeit (7 kp/cm²) bremste das Flugzeug schnell ab. Nur die Stöße, die zwar durch das Fahrwerk gedämpft wurden, übertrugen sich auf die gesamte Zelle und waren noch laut zu hören. Die Nutzung der Bremse war kaum erforderlich, im Gegenteil. Auf weichem Boden, zum Beispiel nach einem Niederschlag, galt es, nicht zum Stehen zu kommen, sondern zügig zu rollen, um nicht im Boden zu versinken. Deshalb wurde bei ca. 60 km/h bereits die Drehzahl erhöht. Die Abstellflächen für die Flugzeuge waren meist besser befestigt als die Bahn selbst, so daß ein Versinken der Räder im Boden nach dem Abstellen der Flugzeuge nicht vorkam. Starts auf Rasen waren noch weniger problematisch als Landungen. Man startete am besten aus der Bewegung. Auch das Aufstellen am Start bedeutete kein Problem. Die Maschine beschleunigte beim Anrollen etwas langsamer. Vor dem Abheben sprang die Maschine wie ein ungeduldiger Ziegenbock, bis sie endlich in der Luft blieb. An trockenen Sommertagen gab es durch die startenden MiGs ein anderes Problem. Wenn eine Staffel mit Nachbrenner auf Rasen gestartet war, sah man nur noch verbrannten Rasen oder den blanken Boden. Es dauerte Wochen, bis diese Flächen wieder begrünt waren.

Ich war nicht ganz unerfahren mit der Landung auf Rasenbahnen, als ich bei einer Übung teilnehmen durfte. Zwei nicht ganz schulmäßige Abfangflüge hatte ich bei dieser Übung bereits absolviert. Ich flog bei diesen Flügen immer die gleiche Maschine. Es war schönes, sommerliches Wetter als ich leicht geschafft vom 3. Flug zurückkehrte und zufrieden in den Dezraum (Dezentralisierungsraum) der 3. Staffel zurückrollte. Als ich näher an die GDF (geschlossene Deckung für Flugzeuge) kam, in der ich das Flugzeug abstellen wollte, sah ich kein technisches Personal zum Empfang und Zurückschieben meines Flugzeuges. Ich erschrak. Da stand schon eine MiG und zwar die, auf der ich die ersten zwei Flüge absolviert hatte. Ich dachte, "oh Scheiße". Ich hatte geträumt und war in den falschen Dezraum gerollt. Mein Abstellplatz befand sich in einem ganz anderem Dezraum. Zum 3. Flug hatte ich eine andere Maschine bekommen und nicht mehr daran gedacht. Um zu meiner richtigen GDF zu gelangen, hätte ich wenden und entgegen der Rollrichtung am SKP (Startkommandopunkt) vorbei in den anderen Dezraum rollen müssen. Im Flugfunk hörte ich schon die anderen Maschinen landen, die mir entgegen gerollt kämen. Ich stellte mir das Chaos auf der Rollbahn vor, eigens von mir provoziert, und was mir als kleiner Leutnant passieren würde. Wie in einer Falle kam ich mir vor und suchte nach einem Ausweg. Erst einmal wendete ich die Maschine und rollte wieder ein Stück zurück und da konnte ich 500 bis 700 m entfernt in dem anderen Dezraum meine GDF und den Abstellplatz von hinten sehen. Hier in dem Dezraum war niemand zu sehen. Neben einem kleinem Kiefernwäldchen führte ein 1 m breiter Plattenweg ca. 100 m in Richtung meiner GDF zu einem Bunker. Ich dachte, das ist mein Weg. Erfahrungen mit Rollen auf Rasen hatte ich und warum sollte es auf diesem Rasen nicht gehen? Als ich nach links auf den Plattenweg einkurven wollte, sah ich jedoch das Problem, ein Vorfahrtschild. Zwischen den Kiefern und dem Schild war wenig Platz. Ich mußte sehr gefühlvoll rollen und die Tragflächenenden beobachten. Zwischen dem Schild und der Tragfläche auf der einen und den Ästen der Kiefern auf der anderen Seite waren nur 10 cm Platz, aber es reichte. Als ich durch das Hindernis hindurch war, gab ich Drehzahl und rollte die ersten 100 m mit einem Rad auf den Plattenweg und mit dem anderen auf dem Rasen. Die Maschine rollte ruhig über den Rasen. Ich hielt zwischen zwei GDF und kam meinem Abstellplatz immer näher. Mein Techniker, der mich schon erwartete, drehte sich sehr verwundert zu mir um, als er das Triebwerksgeräusch aus einer völlig anderen Richtung als gewohnt, vernahm. Er erkannte seine Maschine, reagierte gelassen mit erhobener Hand auf die neue Situation und gab mir Zeichen zum Rollen der letzten Meter. Ich rollte kurz vor den geöffneten Toren der GDF auf die Betonplatte nach rechts und drehte mich leicht nach links und schon stand ich in der idealen Position zum Rückwärtsschieben in die GDF. Der Techniker gab mir routinemäßig das Signal zum Abstellen des Triebwerkes. Erst jetzt kamen noch andere zum Schieben des Flugzeuges. Nach dem Aussteigen aus der Kabine erklärte ich dem Techniker, einem alten erfahrenen "Hasen", mein Malheur und den Grund für meinen besonderen Rollweg. Der lachte nur. Das Flugzeug war ohne Beanstandungen, am Fahrwerk waren keine Verschmutzungen oder gar Schäden und somit war der Techniker zufrieden. Erst jetzt war ich erleichtert und dachte das Problem sei weiter nicht aufgefallen. Vor allem auch deshalb, weil sich bei Übungen das Personal in Schutzbauwerken aufhalten mußte, bis auf die Ausnahmen, die eine konkrete Aufgabe hatten.

Am nächsten Tag zur Flugvorbereitung war Kabinentraining im Dezraum unserer 3. Staffel. Bei der Rückfahrt zum Schulgebäude saß ich neben meinem Kettenkommandeur (OSL Müller). Als wir an dem Kiefernwäldchen vorbeifuhren und er nach links in das Gelände schaute, sprach er mich plötzlich an; "da ist doch jemand mit dem Flugzeug lang gerollt!" Ich erschrak, wieso spricht er gerade mich darauf an? Die Reifenspur war in dem 20 bis 25 cm hohem Gras gut zu sehen. Ich antwortete spontan; "ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand hier mit einer MiG lang rollt". Er bemerkte dazu; "ich kann mir das auch nicht vorstellen". Ich weiß bis heute nicht, ob jemand dieses Malheur festgestellt hatte. Es wurde aber niemals mehr erwähnt. Mit meinen Erfahrungen, die ich bis dahin sammeln konnte, hatte ich großes Vertrauen in die Kampftechnik MiG-21M / MF, die robust und vielseitig einsetzbar war und die auch unter erschwerten Einsatz- und Gefechtsbedingungen zuverlässig arbeitete.