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Startseite >> Publikationen >> Albaniens Luftstreitkräfte im Wartestand

erschienen in FLiEGERREVUE 12/2006


 
Zwar hat Albanien die jahrzehntelange Isolation überwunden, doch gehört das Land immer noch zum Armenhaus Europas. Wie für alle ehemals sozialistischen Staaten Europas ist die Mitgliedschaft in NATO und EU wichtigstes politisches Ziel. Doch bis dahin ist es ein langer Weg. Dies trifft auch für die albanischen Luftstreitkräfte zu.
 
  entstand nahezu zeitgleich in Kucova. Kucova gilt als der Flugplatz mit der besten Infrastruktur in ganz Albanien und wurde daher Anfang 2005 mit türkischer Hilfe modernisiert.


Gegründet am 24. April 1951 auf der Basis Tirana, mussten die albanischen Luftstreitkräfte de facto aus dem Boden gestampft werden, da es zuvor keine albanische Militärfliegerei gegeben hatte. Die Erstausstattung der jungen Streitmacht bildeten Einsitzer Jak-9P und Trainer Jak-9U. Diesen folgten Ausbildungsflugzeuge der Typen Jak-18 und Jak-11 sowie Verbindungsflugzeuge Po-2, die in einer Nebenrolle für Agrarflüge Verwendung fanden. Die gesamte Flotte umfasste zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zwei Dutzend Flugzeuge. Die Vorbereitung des Einsatzes von Strahlflugzeugen begann 1953 mit der Lieferung von Ausbildungsflugzeugen Jak-18A mit Bugfahrwerk. 1955 trafen sowjetische MiG-15bis und MiG-15UTI im
  in unscheinbarer Stolleneingang führt direkt in
den 300 Meter hohen Berg Kakaroit. Die Abstellflächen links und rechts gehen in verwinkelte Einschnitte über, in die die breiten Rollwege münden. An deren Endpunkten verschließen zweiflüglige Stahlbetontore mit mächtigen betonierten überkragungen ein ehemals strategisches Objekt der albanischen Luftstreitkräfte - den über 600 Meter langen Flugzeugtunnel von Gjader, rund 70 Kilometer nördlich von Tirana. Im Inneren des Bunkers waren zwei Jagdfliegerstaffeln mit F-6 und eine mit F-7 untergebracht. Alternative Planungen sahen die Nutzung des Tunnels als Luftschutzanlage für 5000 Personen vor. Wartungsbereich, Personaldiensträume, eine autarke Energieversorgung und
  Betankungspunkte komplettieren die eindrucksvolle Anlage. Die Breite des Tunnels gestattet die Drehung einer F-6, sollte einer der Zugänge blockiert sein. Von chinesischen Ingenieuren zu einer Zeit entworfen, als nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 in Osteuropa die ersten Bogendeckungen entstanden, zog sich die Fertigstellung bis zum Jahr 1976 hin. Eine albanische Pionierbaubrigade und über 1000 zivile Arbeiter schufen das Bauwerk mit einfachsten Mitteln, wie an den Betonverschalungen und den unverbundenen Mischungen deutlich zu erkennen ist. Neben dem Flugzeugtunnel wurden Stollen in den Berg getrieben, die als Tanklager mit einer Kapazität von fünf Millionen Liter Kerosin sowie als Munitionslager genutzt wurden. Ein baugleicher Tunnel  

 

Hafen von Durres ein. Ein Jahr später folgten MiG-15 aus chinesischer und tschechoslowakischer Fertigung. Einige dieser Maschinen blieben bis zur 2005 erfolgten Einstellung des Flugbetriebs mit Strahlflugzeugen im Einsatz. Ergänzt wurde die Flotte durch vier Il-14 und An-2 (Y-5). Weitere Lieferungen in den 50er-Jahren beinhalteten Hubschrauber der Typen Mi-1 und Mi-4 sowie einen Bomber Il-28, die - mit Ausnahme der Mi-1 - später durch ihre chinesischen Varianten (Z-5 und H-5) ersetzt wurden. Letzte sowjetische Flugzeuge im Bestand der Forcat Ushtarake Ajrore Shqipetare (FASh), wie die Luftstreitkräfte auf Albanisch heißen, waren zwölf Allwetterjäger MiG-19PM, mit denen 1959 für die albanischen Luftstreitkräfte sowohl das überschall- als auch das Raketenzeitalter begann. Politische Zerwürfnisse zwischen Albanien und der UdSSR beendeten 1961 die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit. Sechs Jahre später gingen mehrere Maschinen im Tausch gegen eine Anzahl F-6 (MiG-19S) nach China. Augenscheinlich war die chinesische Industrie an der sowjetischen Radar- und Raketentechnik interessiert.


Die „chinesische ära“ begann mit einem Rückschritt: Die Lieferungen der Jahre 1961 und 1962 umfassten Ein- und Doppelsitzer vom Typ MiG-17 (F-5 bzw. FT-5). Letztere standen ebenfalls bis 2005 im Einsatz. Mitte der 60er-Jahre folgten weitere F-6, die mit knapp 70 Stück bis zum Schluss den Hauptteil der Flotte stellten. Gleichzeitig wurden auch Piloten für die Ausbildung auf F-5 und F-6 nach China entsandt, während das Training auf BT-6 (Jak-18) und MiG-15 in Vlore erfolgte. Das letzte von den FASh in Dienst gestellt Kampfflugzeug war die F-7A, die
 
 
chinesische Version der MiG-21F-13. Anfang der 70er-Jahre trafen zwölf Maschinen in Baugruppen zerlegt im Hafen von Durres ein. Zusammenbau und Einfliegen übernahmen chinesische Techniker und Piloten. Die Maschinen bildeten die 3. Staffel des 1974 aufgestellten 3. Fliegerregiments, das noch über zwei Staffeln F-6 verfügte. Eigens für dieses Regiment, dessen Hauptaufgabe die Abwehr gegen den „Hauptfeind“ Jugoslawien bildete, wurde die Basis Gjader errichtet. Die mit PL-2 (Nachbau der R-3S/AA-2 Atoll) bewaffneten F-7A waren nach der Abgabe der MiG-19PM die einzigen raketentragenden Flugzeuge im albanischen Arsenal.
Enver Hoxhas Bruch mit der Volksrepublik China 1978 führte das Land in die völlige politische und wirtschaftliche Isolation, die bis zum Umbruch in Osteuropa 1989/90 andauerte. Auch die albanischen Luftstreitkräfte waren davon betroffen. Seit dieser Zeit wurden keinerlei neue Systeme mehr beschafft. Da aber bereits in den 70er-Jahren die Reparaturwerft in Kucova die Befähigung zur kompletten Hauptinstandsetzung der wichtigsten Typen erlangt hatte, konnte die bis dahin in China durchgeführte überholung der Triebwerke im eigenen Land erfolgen. Durch die verdeckte Beschaffung von Technologien auf dem Weltmarkt - u.a. aus
  Schweden - gelang sogar der Aufbau eigener Kapazitäten zur Herstellung von Triebwerkskomponenten für alle Typen mit Ausnahme der F-7. Somit war es der FASh möglich, die Einsatzbereitschaft der Flotte in den folgenden Jahren und auch nach dem Ende des Kommunismus in Albanien aufrechtzuerhalten. Dank der Unterstützung des Auslands - so lieferte die Bundesrepublik Deutschland Anfang der 90er-Jahre zahlreiche MiG-21- Triebwerke aus DDR-Beständen, die die weniger zuverlässigen chinesischen Aggregate ersetzten - besserte sich die Situation zwischenzeitlich deutlich. Die bürgerkriegsähnlichen Revolten im Jahre 1997 machten diese Erfolge jedoch wieder zunichte. Der bewaffnete Mob stürmte Militärobjekte und zerstörte die dort befindliche Technik, darunter auch zahlreiche Flugzeuge. Von diesem Aderlass hat sich die FASh bis heute nicht erholt. Zwar gelang es 1998, einige Jäger als „Abschreckungsmaßnahme“ gegen jugoslawische Luftraumverletzer in die Luft zu bekommen und noch im Dezember 2002 mit einigen F-7 an der Luftparade anlässlich des 90. Jahrestages der albanischen Armee teilzunehmen. Doch die Tage der immer weiter schrumpfenden Flotte waren gezählt.


Nachdem zwischen 2003 und 2005 noch jeweils acht F-5 / FT-5 und F-6 flugfähig waren bzw. auch tatsächlich hin und wieder flogen, beschloss die albanische Regierung Ende 2005 die Stilllegung aller Strahlflugzeuge und die Konzentration auf die Ausrüstung der Luftstreitkräfte mit Hubschraubern. Die FASh verfügt somit über keine aktiven


 



Kampfflugzeuge mehr. Bisher bestehen allerdings auch keinerlei Abkommen mit Italien und Griechenland über einen Schutz des albanischen Luftraums durch die NATO. Auf die Frage, wie die Lufthoheit über Albanien sichergestellt wird, verweisen die Verantwortlichen auf einige Kampfjets, die reaktiviert werden könnten, und eine größere Zahl von Piloten, die noch über die notwendigen Befähigungen verfügen. Darüber, mit welchen Reaktionszeiten auf eine eventuelle Luftraumverletzung reagiert werden könnte, kann jedoch nur spekuliert werden. Einzig die Fla-Raketenbrigade der Luftverteidigung stellt noch ein gewisses Abschreckungspotential dar. Ihre drei Bataillone, ausgerüstet mit der HQ- 2, der chinesischen Version der sowjetischen Fla-Rakete S-75 Dwina (SA-2), sind in Manina nahe Tirana, Petrella und Kruja stationiert. Von den ursprünglich fünf Radarstationen sind noch drei einsatzbereit - in Durres, Skhoder und Fiere -, allerdings technisch völlig veraltet. Gemeinsam mit der NATO wurden Studien für den Ersatz dieser Anlagen durch moderne Systeme erstellt. Angesichts der finanziellen Situation der FASh ist aber mit Neubeschaffungen nicht vor 2010 zu rechnen. Insgesamt 130 Flugzeuge der Typen MiG-15/17/19 und 21 sind gegenwärtig konserviert und abgestellt. Das albanische Militär hofft, zumindest einige der teilweise sehr wenig geflogenen Flugzeuge - z.B. waren die F-7 nur zwischen 300 und 600 Stunden in der Luft - an zahlungskräftige zivile Interessenten verkaufen zu können. Weitere Maschinen wurden den albanischen Provinzverwaltungen zu Ausstellungszwecken angeboten. Zudem planen die FASh, in den unterirdischen
 

Anlagen von Gjader ein eigenes Museum einzurichten. So bleibt zu hoffen, dass von den exotischsten Kampfflugzeugen Europas wenigstens einige der Nachwelt erhalten bleiben. Die Mehrzahl wird jedoch verschrottet werden. Die Vorbereitungen haben bereits begonnen. Offiziell verfügt Albanien noch über zwei aktive Luftwaffenbasen in Rinas und Farke, wovon nur letztere nennenswerte Aktivitäten verzeichnet. In Rinas fliegen sporadisch die vier verbliebenen Y-5 (An-2). Kucova sowie Gjader dienen als Reservebasen.

2002 hatte Italien mit der Lieferung von sieben gebrauchten Hubschraubern AB 206 begonnen, die den Grundstock für die heutige Flotte bildeten. Drei AB 205 folgten 2004, die Lieferung weiterer Maschinen ist geplant. AB 205 und AB 206 ersetzten schrittweise die Z-5, die 2005 letztmalig zum Einsatz kam. Während die AB 206 vor allem Ausbildungszwecken dient, werden die AB 205 als Transporter, aber auch für Rettungs- und Katastropheneinsätze verwandt. Den italienischen Hubschraubern sollen demnächst zwölf Bo 105 aus deutschen Beständen folgen. Am 30. Juni 2005 vereinbarten Deutschland und Albanien den Überlassungsvertrag.
  Dem folgte am 3. April dieses Jahres die Unterzeichnung eines Vertrags zwischen dem albanischen Verteidigungsministerium und der Eurocopter Deutschland GmbH, der die Lieferung von Ersatzteilen sowie die Wartung über einen Zeitraum von drei Jahren regelt. Weiterhin eingeschlossen in das Vertragsvolumen von zehn Millionen Euro sind die Anpassung der Technik an albanische Bedürfnisse und die Ausbildung von Piloten und Technikern. Laut jüngsten Verlautbarungen der albanischen Regierung erhalten die Luftstreitkräfte allerdings nur sechs Hubschrauber, mit denen in Farke eine dritte Staffel gebildet wird. Vier Bo 105 gehen an das Innenministerium, die verbleibenden zwei an das Gesundheitsressort. Zwischen 2006 und 2008 sollen jeweils vier Maschinen pro Jahr in Dienst gestellt werden. Die komplett mit westlichen Mustern ausgerüsteten Hubschraubereinheiten, ausgebildet von Instrukteuren aus den Herkunftsländern, werden Albanien in naher Zukunft bei den NATO-Manövern „Partnership for Peace“ vertreten und damit die angestrebte Annäherung an das westliche Militärbündnis befördern. Weitere Maßnahmen in dieser Richtung sind die Entsendung von Stabsoffizieren an Führungsakademien der USA, der Türkei und Deutschlands sowie die Teilnahme an internationalen Militärmissionen. Albanische Truppenkontingente waren und sind in Georgien, im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina, in Afghanistan sowie im Irak im Einsatz. Auf lange Sicht wird ein NATO-Mitglied Albanien auch wieder über Kampfflugzeuge verfügen. In realistischer Einschätzung der eigenen Möglichkeiten sprechen die Verantwortlichen von vier bis sechs Mehrzweckflugzeugen der F-16-Klasse, die irgendwann nach 2010 den albanischen Luftraum schützen sollen.