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Gedanken zu meinem Freiflug auf der MiG-21F-13

(Text: Michael Wegerich, erschienen in: DHS Nr. 1)

Jeder von uns, der die fliegerische Ausbildung begann, träumte davon, ein Kampfflugzeug zu fliegen, das mit Kanonen- und Raketenbewaffnung ausgerüstet werden kann, das schneller als die zweifache Schallgeschwindigkeit fliegt und mit dem schon erfahrene Piloten Luftsiege errungen hatten.

Es war im Frühjahr 1975, als ich 21-jährig die ersten 20 Flüge mit Fluglehrer auf der MiG-21U, dem Schulflugzeug, vom Flugplatz Rothenburg absolviert hatte und in nicht ganz 10 Stunden Flugzeit Erfahrungen gesammelt und mir Fertigkeiten angeeignet hatte, um ein modernes Überschallflugzeug zu fliegen. Den Freiflug auf der MiG-21U hatte ich mit "sehr gut" bestanden. Da stieg der Fluglehrer nach dem letzten Kontrollflug aus der hinteren Kabine und ich hatte den nächsten Flug, den Freiflug, "nur" genauso zu wiederholen, aber ohne Fluglehrer. Bei dem Flug war alles wie gewohnt, wie ich es bei den letzten 20 Flügen erlebte.

Der Tag war gekommen, an dem ich beweisen konnte und mußte, daß ich dieses einsitzige Kampfflugzeug, die MiG-21F-13, in der Platzrunde beherrschte. Vor mir stand jetzt auch eine MiG-21 und doch war es ein anderes Flugzeug. Die Zelle und das Fahrwerk waren anders. Das veränderte Triebwerk zwang uns, neue Triebwerksparameter zu lernen. Die Kabine war verändert. Schalter waren an anderer Stelle, Waffenschalter waren hinzugekommen. Fluginstrumente waren nicht am inzwischen gewohnten Platz und der Blick nach vorn ging durch ein ca. 10 cm dickes Panzerglas. Wie wird das Flugverhalten sein? Wird die Maschine reagieren wie erwartet. Das Anlassen des Flugzeuges hatten wir im Kabinentraining geübt, die Handlungen in besonderen Notfällen auswendig gelernt und dem Fluglehrer x-mal wiederholt. Ich kannte alle Parameter der Platzrunde, für Start und Landung. Es konnte eigentlich nichts schief gehen. Trotzdem, voller Ehrfurcht betrachtete ich das Flugzeug, welches sich in realen Luftkämpfen schon bewährt hatte. Es war eine Herausforderung. Beim Rundgang um das Flugzeug war ich noch aufgeregt, der Techniker, der mir Meldung machte und das Flugzeug übergab, war die Ruhe in Person. Für ihn war es Routine und für mich ein Höhepunkt.

Nachdem ich vom Flugleiter die Erlaubnis zum Anlassen erhielt und den Anlaßknopf drückte, war das Lampenfieber vorbei. Ich dachte nur an die Handlungen und Kontrollen, die ich zu machen hatte. In meinem Kopf hatten nur noch die Gedanken Platz, die mir den nächsten Kontrollblick oder den nächsten Handgriff wiesen. Ich war bereit zum Rollen. Der Techniker signalisierte die Rollfreigabe, der Flugleiter erteilte die Rollerlaubnis. Ich erhöhte die Drehzahl, ließ die Bremsen los und das Flugzeug rollte los. Nach wenigen Metern mußte ich aus der Vorstartlinie rollend nach rechts auf die Rollbahn. Ich trat in die Seitenruderpedale und betätigte die Bremse. Ehe das Flugzeug die Richtung änderte, vernahm ich ein lautes Rattern, das sich kurzzeitig auf das ganze Flugzeug übertrug. Das gebremste Rad begann mit dem Fahrwerksbein zu schwingen und dies übertrug sich auf die Tragfläche und auf das ganze Flugzeug. Das war normal auf der F-13, wenn man etwas stark bremste. Doch mit dem lauten Geräusch hatte ich nicht gerechnet. Ich rollte zum TKP (Technischen Kontrollposten). Mein Flugzeug wurde von zwei Technikern vor dem Aufrollen auf die SLB (Start- und Landebahn) nochmals kontrolliert. Es gab keine Mängel und ich erhielt das Zeichen zum Weiterrollen. Während der ganzen Zeit hörte ich den Flugfunk mit. Da keiner im Landeanflug war, holte ich die Erlaubnis zum Aufrollen auf die SLB ein. Nachdem ich in Startrichtung stand, die Landeklappe in Startstellung gefahren, Schalter und Fluginstrumente kontrolliert hatte, meldete ich meine Startbereitschaft. Der Flugleiter antwortete " (wsljot wam rasreschaju - der Start ist erlaubt). Die russischen Kommandos waren inzwischen kein Problem mehr, flogen wir schon im letzten Jahr auf der L-29 in Dresden nach der russischen Kommandotafel. Ich schob den Drosselhebel nach vorn in die Stellung "Nachbrenner maximal". Ich spürte meinen Pulsschlag. Die wenigen Sekunden bis zum Zünden des Nachbrenners empfand ich als Ewigkeit. Da vernahm ich den Ruck und die grüne Signallampe leuchtete. Der Nachbrenner hatte gezündet. Ich ließ die Bremsen los und die Maschine beschleunigte. Nachdem ich 100 km/h überschritten hatte, zog ich den Steuerknüppel nach hinten. Der Bug hob sich. Ich fixierte den Winkel, so daß der Bug gerade das Bahnende verdeckte. Bei 330 km/h hob ich ab. Ich war beeindruckt und begeistert von der Beschleunigung. Das Fahrwerk war eingefahren, kurzer Blick auf die Höhe. 150 m, Landeklappe einfahren. Wenn mein Steigwinkel stimmt, muß ich in 300 m Höhe 500 km/h erreicht haben. Die Parameter stimmen, ich kann den Nachbrenner ausschalten, die erste Kurve mit 30 Grad Schräglage und mit 500 km/h im Steigflug auf 500 m einleiten. Plötzlich vernehme ich einen lauten dumpfen Knall im Bug. Was war das? Alle Parameter sind in Ordnung. Ich setzte meine erste Kurve ohne Unterbrechung fort. Diesen dumpfen Knall sollte ich noch über 2000 mal hören. Beim Ausschalten des Nachbrenners nach dem Start fallen die Startklappen durch Druckänderung im Ansaugschacht zu und verursachen ein Geräusch. Erst bei diesem Flug, sensibel auf alles "Neue", nahm ich Dinge wahr, die schon bei den ersten 20 Flügen auf der MiG-21U zu verspüren oder zu hören waren. Kurz vor Erreichen des Landegegenkurses lag die Höhe 500 m an. Ich nahm das Flugzeug an den Horizont und leitete die Schräglage aus. Dabei stellte ich fest, diese MiG-21, die F-13, reagierte viel sensibler auf Steuerausschläge als die Schulmaschine. Man mußte mit kleinen, dosierten Steuerausschlägen fliegen. Später stellte ich fest, es ist am besten, das Flugzeug gut auszutrimmen und fliegen zu lassen. Aber jetzt flog ich noch nach dem Motto "Fliegen ist eine ständige Korrektur von Fehlern". Beim Flug zur Traverse gönnte ich mir einen Blick zum Flugplatz und in die Umgebung. Ich sah die Neiße rechts unter mir und links die kleinen Handtuchfelder in Polen. Der Landekurs war 360 Grad, also flog ich mit 180 Grad zur dritten Kurve. Die Zeit, die Landschaft, die wenigen weißen Wolken und den herrlich blauen Himmel aus 500 m Höhe und mit 500 km/h zu genießen, war kurz. Es galt die Landung vorzubereiten, d.h. Kontrolle der Preßluft für die Bremsen und Kontrolle des Hydraulikdruckes zum Fahrwerkausfahren. Das Triebwerk arbeitet stabil und der Schmierstoffdruck ist in der Norm. Ich bin am Punkt zum Fahrwerkausfahren angelangt. Der Fahrwerkshebel wird betätigt und die Drehzahl auf 85% erhöht. Das Fahrwerk wird kontrolliert, es ist vollständig ausgefahren und verriegelt. Ich melde dem Flugleiter meine Absicht zu landen und leite die dritte Kurve nach Erhalt der Landeerlaubnis ein. Nach Ausleiten der Kurve beginne ich mit dem Gleitflug, die Landeklappe ist auszufahren und die Geschwindigkeit auf 450 km/h zu verringern. Beim Ausfahren der Landeklappe entsteht das gleiche Steigmoment wie bei der MiG-21U. Inzwischen habe ich mich an die Kabine und das Flugzeug gewöhnt. Ich erkenne die Orientierungspunkte, die mir mein Fluglehrer zur Hilfestellung zeigte. Ich bin genau richtig und die Parameter stimmen. Ich leite die vierte Kurve so ein, daß ich ohne Schräglagekorrekturen auf Landekurs ausleiten kann. Den leichten Seitenwind aus West kann ich mit etwas Vorhalt ausgleichen. In wenigen Sekunden überfliege ich das Fernfunkfeuer (4 km-Punkt). Ich höre das Signal vom 4 km-Marker. Meine Geschwindigkeit 420 km/h, Höhe 230 m. Ich bin etwas zu hoch und nehme die Drehzahl heraus. Noch 30 Sekunden bis zum Aufsetzen. Wenig Zeit für Korrekturen. Der Nahmarker hupt (1 km-Marker), Höhe 60 m, Geschwindigkeit 360 km/h, 5 m/s Sinkgeschwindigkeit. Jetzt stimmt alles. Noch 12 Sekunden. Die Bahn kommt schnell immer näher. Ich habe das Gefühl, auf die Bahn aufzuschlagen und möchte am liebsten abfangen, aber das ist falsch. Ich halte bewußt vor die Bahn. Ich bin unter 10 m Höhe und beginne nur leicht abzufangen, überfliege die Bahnkante in 2 m Höhe. Ich nehme die Drehzahl heraus. Die Maschine beginnt sich zu setzen, ich nehme den Knüppel leicht nach hinten und setze mit 300 km/h butterweich auf. Der Bug wird gesenkt, der Bremsschirm ausgefahren. Ich verspüre den Ruck, der Schirm hat sich entfaltet. Geschafft! Die Platzrunde dauerte nicht einmal 10 Minuten und ich war schon durchgeschwitzt. Es war eine gute Landung. Ich war mit mir zufrieden, aber was viel wichtiger war, der Flugleiter war es auch. Ich bekam für Start, Landeanflug, Landeberechnung und Landelage jeweils "sehr gut". Das ist mir bei den nächsten Flügen nicht mehr gelungen. Aber an diesem Tag bin ich einen weiteren Schritt zu meinem Kindheitstraum gegangen: Pilot und Jagdflieger zu werden.