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Hatte der Autor bereits im Vorjahr unter einem gewissen Zeitdruck gestanden, die kroatischen MiG-21 nochmals in Aktion zu erleben, sollte sich das 2024 noch verschärfen, schließlich schien klar, daß mit dem Eintreffen der ersten Rafale Ende April definitiv Schluß mit dem MiG-21-Betrieb sein würde. Als dann aber Meldungen kursieren, denen zufolge die MiG-21 nicht einmal bis zu diesem Zeitpunkt in Dienst bleiben, sondern einzeln bereits im Januar / Februar stillgelegt werden sollten, ist Eile angesagt. Deshalb trifft es sich gut, als kurz vor Silvester 2023 aus Zagreb gemeldet wird, daß am 4. Januar die letzte MiG-21-Einheit Europas, die 191. eskadrila lovačkih aviona der kroatischen Luftstreitkräfte, den 32. Jahrestag ihrer Gründung begehen würde und dabei um 13 Uhr auch drei MiG-21 fliegen sollten. Eine offizielle Ankündigung des Termins gibt es allerdings nicht und auch die Tatsache, daß der eigentliche Gründungstag der 17. Januar ist und zuvor auch immer an diesem Tag gefeiert wurde, läßt Zweifel an der Verläßlichkeit der Meldung aufkommen. Doch dann taucht die Einladung auf, die an die Gäste verschickt wurde und es ist offensichtlich: das ist die Chance für einen erfolgreichen Auftaktbesuch für das Jahr 2024. Gleichzeitig wird deutlich, daß es - wieder - keine Chance geben würde, direkt beim Geschehen auf dem militärischen Teil des Flugplatzes dabeizusein. Wie wir später erfahren, gibt es dort einiges zu sehen. Gleich drei MiG-21 sind ausgestellt: die MiG-21R, mit der Perešin 1991 nach Österreich floh, die rot-weiße MiG-21UMD 165 "Kockica" und mit der 166 ein weiterer Doppelsitzer. Auch erhalten die Besucher Zugang zu den Staffelgebäuden und können die Flugvorbereitungen aus der Nähe beobachten.
Aber egal, allein die Hoffnung, auch im 31. Jahr in Folge fliegende MiG-21 zu sehen, reicht aus, um sich auf den Weg nach Zagreb zu machen. Hinzu kommt, daß die Anreise diesmal kürzer sein wird, weil der Autor mit seinem Sohn in der fraglichen Woche ein paar Tage in Wien verbringt und daß auch die Wetteraussichten ausnehmend gut sind. So starten wir am frühen Morgen des 4. Januar in Wien und als wir am späten Vormittag bei strahlendem Sonnenschein und fast frühlingshaftem Wetter in Zagreb eintreffen, haben sich zahlreiche Enthusiasten - aus Großbritannien, Italien und Malta - am Zaun versammelt, um wie wir die MiGs nochmals fliegen zu sehen. Schon das ist ungewöhnlich, war der Autor doch bei den vorherigen Besuchen in der Regel allein am Platz.
Nach dem erfolgreichen Besuch vom Januar war zwar die Gefahr gebannt, daß das Jahr 2024 für den Autor nach 30 Jahren mit fliegenden MiG-21 das erste ohne MiG-21-Flugbetrieb werden könnte, aber mangels offizieller Informationen blieb die Unsicherheit hinsichtlich des anstehenden Termins der Außerdienststellung. Einzige Lösung: so oft wie möglich vor Ort sein, um die Maschinen bei jeder sich bietenden Gelegenheit fliegen zu sehen. Allerdings besteht weiter das aus dem Vorjahr bekannte Problem, daß es nur noch sporadische Flüge gibt und manche Woche gar nicht geflogen wird. Also mußte wieder ein angekündigter Flug her. Nachdem der Februar ohne einen solchen verstrichen ist, taucht Anfang März auf kroatischen Internetseiten die Ankündigung eines Tags der offenen Tür auf dem Flughafen in Pula mit "MiG-Überflug" auf. Das sollte der erhoffte Termin sein! Allerdings dauert es dann noch eine Woche, ...
Bleibt nur noch die Frage: für eine unbekannte Zahl von Überflügen, zudem unter unbekannten Bedingungen, nach Pula zu fahren oder bei Start und Landung am Flughafen Zagreb dabei zu sein. Die Vertrautheit mit letzterem in Verbund mit der Hoffnung auf Trainingsbetrieb am Vortag gibt den Ausschlag und so rollt der Autor am Donnerstag nach Zagreb, um am Freitag bei schönstem Frühlingswetter auf den erhofften Übungsflug zu warten. Da in der gesamten Woche noch keine MiG geflogen war, schienen die Chancen gut zu stehen. Doch weit gefehlt: nach einer gefühlten Ewigkeit mit sehr sporadischen und ausschließlich zivilen Flugbewegungen kommt die ernüchternde Meldung: es wird kein Training für die Veranstaltung geben. Da die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, wartet der Autor weitere zwei Stunden, bis er sich ernüchtert auf den Weg ins Museum des Heimatkriegs nach Karlovac aufmacht, schließlich ist dort eine MiG-21 auf einem Sockel montiert und bei den vorangegangenen Reisen hatte es sich als gutes Omen erwiesen, vor den fliegenden ausgestellte MiG-21 zu besuchen. Spät in der Nacht kommt dann noch die erlösende Nachricht: MiG-Start um 14.30 Uhr. Noch ist nicht bekannt, wie viele Maschinen es sein werden und die Zeit ist auch alles andere als optimal, schließlich steht dann die Sonne genau über der Bahn, aber der weite Weg war nicht umsonst. Am nächsten Tag haben sich dann zahlreiche Spotter und Enthusiasten - darunter gleich mehrere aus Deutschland - am Zaun des Flughafens versammelt und harren der Dinge, die da kommen sollen - manche auf der Nord-, manche auf der Südseite, weil angesichts des Sonnenstands unklar ist, wo die bessere Fotoposition liegt. Am Vormittag ist das Wetter schlechter als angekündigt, aber als der Starttermin herannaht, klart der Himmel auf. Dann kratzt es im Funkgerät, eine MiG-21bisD rollt auf die Bahn, gefolgt von einer weiteren. Das ist mehr, als zu erwarten war. Leider ist die 118 nicht dabei, deren große 30 auf dem linken Seitenleitwerk der Autor bisher nicht fotografieren konnte.
Einen Erlebnisbericht von der anderen Seite des Zauns gibt es hier.
Schon länger war bekannt, daß die ersten Rafale, die die kroatischen MiG-21 ablösen sollen, Ende April eintreffen werden. Lange Zeit bleibt jedoch das genaue Datum der Ankunft in der Schwebe. Mitte April verdichten sich die Meldungen auf den 25., aber eine offizielle Bestätigung steht noch aus. Die kommt erst am 23. und der Autor, der fest damit rechnet, daß die MiG-21 aufsteigen werden, um ihre Ablösung zu begrüßen, macht sich wieder auf auf den Weg nach Zagreb. Am Morgen des 25. ist er zeitig am alten Terminal, wo schon zahlreiche Fotografen warten. Vielleicht 30 oder 40 Mann stehen dicht, aber nicht gedrängt am Geländer der Terrasse und warten auf das, was kommen soll. Zunächst ist das Wetter noch ganz ordentlich, aber je näher der Termin der Ankunft rückt, um so dunkler und kälter wird es. Zur Stimmungsaufhellung trägt auch nicht die Mitteilung bei, daß die Rafale nicht in Formation über den Platz fliegen werden, sondern direkt zur Landung kommen. Aber egal, die meisten sind wie der Autor auch oder sogar nur wegen der MiGs hier, das hört man im Gespräch immer wieder. Die Spannung steigt. Werden die zahlreichen Airliner vor dem Terminal die vorbeirollenden MiGs verdecken? 12 Uhr sollen die beiden MiG-21 starten. Der Zeitpunkt kommt heran und geht vorbei - und nichts passiert. Dann die Hiobsbotschaft: der QRA-Start ist auf Weisung "von ganz oben" abgesagt. Was bleibt, ist reichlich unspektakulär.
Nach ihrem offiziellen Abschied auf der Airshow AirVG Anfang Mai fliegen die MiG-21 zumindest sporadisch auch in den folgenden Wochen, allerdings viel zu selten und zu zufällig, um nochmals den Versuch zu wagen, auf gut Glück nach Zagreb zu fahren. Die Hoffnung auf einen Auftritt bei der Airshow in Varazdin zerschlägt sich. Anfragen beim Veranstalter bleiben unbeantwortet, aber das schließlich veröffentlichte Programm bestätigt: keine MiG-21, nur die Rafale. Als bereits die Taschen für den Sommerurlaub an der kroatischen Küste gepackt sind, kommt die Meldung: binnen zwei Wochen ist Schluß. Natürlich ist die Kameraausrüstung im Urlaub dabei, um notfalls reagieren zu können, doch auch diesmal erweist sich die Nachricht als Ente. Wieder werden sporadische Flüge gemeldet, die aber leider nicht bis nach Rovinj führen. Stadt und Hotel überfliegen zumindest am letzten Urlaubstag zwei Rafale. Aber nach Rückkehr aus dem Urlaub folgt die Überraschung: Ende Juli kündigt der Generalstabschef der kroatischen Streitkräfte, Generaloberst Tihomir Kundid, auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Programms für die Feiern zum 29. Jahrestag der Operation "Oluja" am 5. August MiG-21-Flüge aus Anlaß des Jubiläums an. Damit war natürlich klar, daß der Autor hinfährt - allerdings gilt das nur bis zum nächsten Tag. Dann schreibt ihm ein Bekannter mit guten Kontakten zur Staffel, daß die MiG-21-Teilnahme abgesagt sei. Seit dieser Meldung hat der Autor dann quasi stündlich auf der Website des Verteidigungsministeriums vorbeigeschaut in der Hoffnung, dort das Programm der Veranstaltung mit den entscheidenden Details zu finden. Das Programm gibt es dann am späten Nachmittag des Freitags, allerdings - anders als in den Vorjahren - ohne Nennung der Flugzeugtypen, die in Knin fliegen würden. Ein anderer kroatischer Bekannter, der regelmäßig am Zaun präsent ist, hatte jedoch gemeint, daß die MiG-21 sicher teilnehmen würde und auch vermutet, daß am Sonntag trainiert würde. Die offizielle Ankündigung lautete allerdings, daß es Flüge über Knin in der gesamten Zeit zwischen Donnerstag und Montag geben könnte. Hin- und hergerissen hat sich der Autor dann entschieden, am Sonntag hinzufahren, um am Montag vor Ort zu sein. Nachdem er schon rund zwei Stunden unterwegs ist, kommt das erste Update aus Zagreb: nur Rafale gestartet. Der Autor ist aber schon gut vorangekommen und deshalb entschlossen, jetzt in jedem Fall bis Zagreb zu fahren. Dann eine halbe Stunde später die erhoffte Botschaft: MiG-21 mit zwei weiteren Rafale gestartet! Ein wenig Unruhe kommt noch auf, als nach gut einer Stunde die Meldung eingeht, daß die MiG noch immer nicht wieder gelandet sei, aber fünf Minuten später ist die MiG dann erfolgreich wieder am Boden. Es wären also sogar zwei Tage MiG-Flugbetrieb möglich gewesen ... Die weitere Fahrt verläuft entspannt. Nach dem traditionellen Abstecher zu einer abgestellten MiG-21, ohne den es in Kroatien erfahrungsgemäß keinen Erfolg mit den fliegenden Exemplaren gibt und einem Abend im recht menschenleeren Zagreb steht der Autor am nächsten Morgen gespannt am Zaun - zusammen mit einem Kroaten und einem Taiwanesen, der für die Gelegenheit extra seinen Heimflug verschoben hatte. Später stoßen noch zwei Deutsche dazu, die erst am frühen Morgen losgefahren waren.
Danach geht es nicht so entspannt wie am Sonntag, aber dennoch unter acht Stunden nach Hause zurück. Der kroatischer Bekannte hatte im Vorfeld mit einem Offizier der Luftwaffe gesprochen und der meinte, dies sei definitiv der letzte Flug gewesen. Bestärkt wird diese Meinung dadurch, daß die 117. bei ihrem Flug einen Zusatzbehälter mit Unterschriften des Personals trug, der beim Staffelfest im Januar signiert wurde. Aber wie bisher auch in Kroatien gilt: niemand weiß wirklich etwas ...
Seit Januar hängt nun also das Damoklesschwert des plötzlichen Betriebsende über den kroatischen MiG-21. Und seit August hatte es keinen angekündigten Flug mehr gegeben. Als der Wetterbericht für die Vorweihnachtswoche mehrere Tage mit schönem Wetter ankündigt, reift der Plan, nochmals nach Zagreb zu fahren. Auf die Frage an die Experten vor Ort kommt die Antwort: "keine wirkliche Idee". Aber das Wetter sieht zu gut aus, um die Chance verstreichen zu lassen und so soll es am Montag losgehen. Ein Marder hat andere Pläne: in der Nacht zuvor zerstört er Kabel und Schläuche am Auto des Autors. Als der Schaden repariert ist, ist für die Abreise schon zu spät. Der ärger kennt keine Grenzen, als es dann am Dienstagvormittag heißt: zwei Flüge heute (das gab es seit Wochen nicht mehr!), der erste um 11 Uhr. Kurz danach folgt auch schon das Video vom Start. Als es am Mittwoch dann heißt, "es gibt das Gerücht, daß am Donnerstag auch geflogen wird", ist klar, daß sich der Autor auf den Weg macht.
Kaum sind alle Maschinen gelandet, folgt die Meldung: es wird einen weiteren Flug um 14 Uhr geben. Damit ist klar: das war definitiv nicht der letzte Flug. Was war es dann? Vielleicht der Abschied eines der drei Piloten, die zum Schluß noch MiG-21 flogen. Nun ist guter Rat teuer: weitere drei Stunden warten (oder länger, denn der zweite Start am Dienstag war erst gegen 14.45 Uhr erfolgt) oder jetzt heimfahren, den größten Teil der Stecke bei Tageslicht, ja sogar im Sonnenschein zurücklegen und abends schon wieder bei der Familie zu sein oder auf den zweiten Start warten, zu riskieren, daß der gar nicht stattfindet und erst spät nachts zurückfahren? Der Autor entscheidet sich für die erste Variante. Er ist bereits fast in Deutschland, da kommt die Meldung: "die MiG ist gestartet". Es ist jetzt bereits 14.30 Uhr - also alles richtig gemacht. Ein halbe Stunde später folgt ein Video, das den Überflug der MiG-21 über den Platz zeigt - vergleichsweise unspektakulär. Der Autor hat gerade Regensburg erreicht, da überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur steckt er plötzlich und unerwartet im ersten (und wie sich zeigen sollte, einzigen) Stau der Reise, sondern es laufen in schneller Folge Meldungen, Bilder und Videos ein: die Pilot der MiG-21 hat beim letzten Anflug den Mitarbeitern von Tower und Feuerwehr gedankt. Dann ist zu sehen, wie die MiG-21 auf den letzten Metern mit dem traditionellen Wassersalut der Feuerwehr begrüßt wird. Und schließlich heißt es: ein Pilot hat bestätigt: es war der letzte Flug. Es ist also vorbei ... Der Autor dankt Chris, Marko und Hrvoje sowie den Mitarbeitern des Flughafens Zagreb und der Pressestelle des kroatischen Verteidigungsministeriums.
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